Ein Leben für die Landwirtschaft
Hackfrüchte wie Kartoffeln und Mais, dann der Weizen. Erst dann die Gerste. „Wenn man sich an diese Reihenfolge hält, kann sich der Boden erholen. Wenn nicht, wird’s schwer.“ Die Zyklen eines Ackers kannte Hildegard Nix aus dem Effeff. Zeit ihres Lebens hatte sie in der Landwirtschaft gearbeitet. Das lehrt einem Demut den natürlichen Vorgängen gegenüber. Gelernt hatte sie, wie man das so sagt, von der Pike auf. Von der Familie, auf dem Feld. Aber auch auf der Schulbank. Mit 15 Jahren besuchte sie die Landwirtschaftsschule.
Wer etwas von der Pike auf lernt, bewahrt sich meistens den realistischen Blick. Hildegard Nix hatte ihn, das merkte man schnell, wenn man sich mit ihr unterhielt. „Es gibt kein frisches Obst das ganze Jahr“, sagte sie. Und: „Wenn man die Füße hochlegt und nichts mehr tut, rostet man.“
Sie hatte viel gearbeitet in ihrem Leben. Auf Äckern, am Stand, im Laden. Anfang der Siebziger Jahre begann sie auf dem Grund der Schwiegereltern, dort, wo die Schlepper nicht hinkamen, Eigenes anzubauen: Feldsalat, Gurken, Bohnen. Die Familie verkaufte das, was „uffm Äckersche wuchs“. Eines Tages fragte sie jemand: „Warum gehst Du eigentlich nicht auf den Markt?“ So ging es los mit Hildegards Hofladen. Die Marxheimerin bezog ihren Stand ganz in der Nähe der Stadtmauer-Ruine. Campingtisch, Sonnenschirm, dahinter der Bus. Der Stand kostete nichts. Das war 1977.
Von 4 Uhr bis 21 Uhr im Einsatz
Zum Angebot kamen Kartoffeln dazu, sie säte weitere Salatsorten aus. Weil er zu stark schoss, „hab ich Samen gekauft und in den Backofen getan. Das hat geholfen.“ Praktische Menschen zeichnet aus, dass sie Einfälle haben. Und Energie. Ein Arbeitstag ging bis 21 Uhr und fing um 4 Uhr in der Früh an, wenn Erdbeersaison war. Das ist weit mehr als das, was man gewöhnlich einen Fulltime-Job nennt. Hildegard Nix hielt sich damit nicht länger auf, sondern erzählte lieber davon, dass sie schließlich auch noch Mutter sei. Sie hat 3 Söhne.
Längst ist Hildegards Hofladen ein Betrieb. 1998 wurde die Scheune umgebaut, Kühlhaus, Schlachtraum, Verkaufsraum entstanden, Personal kam dazu. Externes, internes. Wie ihr Mann Willi arbeitete Hildegard immer noch voll mit, bediente Maschinen, fuhr Laster. „Aber ich bin nicht mehr für das Ganze verantwortlich“, sagte sie. Und war durchaus ein wenig erleichtert darüber. Die Verantwortung hatte sie an Sohn Stephan delegiert, der seitdem den Betrieb gemeinsam mit seiner Frau Beschka führt.
Ganz entgegen den früheren Gewohnheiten legte Hildegard auch mal die Füße hoch. Still sitzen tat sie deswegen noch lange nicht. In Nullkommanichts hatte sie 20 Paar Strümpfe gestrickt. Für die Familie, für die Verkäuferinnen. „Ich muss in Bewegung bleiben, die Glieder, die werden sonst steif.“ Wenn sie nicht strickte, kochte sie oder band Blumen - die für den Wochenmarkt sind handgebunden.
Ihr Programm war immer noch kernig. Um halb sechs aufstehen, dann zum Wiesbadener Großmarkt. Regelmäßig gings mit dem Transporter nach Bickenbach an die Bergstraße, um Honig einzukaufen. Die Eier holte sie aus Büttelborn. „Wenn’s nett von hier iss, dann von nett weit weg und immer vom Bauern“, erklärte sie und brachte damit die Hofladen-Philosophie auf den Punkt.
Sie hatte noch Power
Zweimal die Woche stand sie immer noch am Stand. „Mit dem Eiermann, der seit Jahrzehnten neben mir verkauft, mit dem könnte ich gemeinsam ein Buch schreiben“, sagte sie lachend. Jeden Samstag um 5 Uhr war sie im Städtchen und baute auf, um 6 Uhr holte sie einen Kaffee und ein Stückchen, und dann ging es um 7 Uhr los, wenn die ersten Kunden am Stand standen.
Für alle Kollegen und viele Kunden war der Betrieb ohne die Namensgeberin schwer denkbar. Und für sie selbst ebenso. Deshalb blieb vorerst auch alles so wie es war „Alles Einstellungssache. Auch wenn wir zeitlebens hart gearbeitet haben. Ich habe noch Power“, sagte die Hildegard. Und fügte hinzu: „Ich bin eben jemand, der das aus Liebe macht und nicht nur, um die Stunden herum zu kriegen.“
Dieses Leben hat sie selbst erzählt und aufgeschrieben.
Hildegard Nix hatte im Februar 2015 einen schweren Autounfall mit Folgen. Hildegard verstarb leider viel zu früh im März 2016.
Wir vermissen sie!